Die traurige Geschichte von dem Mann mit dem Hut

Der Mann, der Spiegel und der Hut (Traurige Geschichte)
Ein gutes Märchen sollte eigentlich beginnen mit..."Es war einmal". Da die Geschichte, die ich Euch jetzt erzähle, aber vielleicht gar nicht so gut ist, verzichte ich auf die sonst üblichen Worte und fange ganz einfach an indem ich sage:

In einem kleinen Dorf trägt es sich zu, dass ab und an Fremde ein kleines Haus betreten, eine Weile darin verbringen und dann irgendwie verändert, oft bedrückt, aber manchmal auch beruhigt, das Dorf verlassen. Das Seltsame ist, fragt man die Besucher, was sie denn erlebt haben in dem kleinen Haus, was sie gesehen haben, so erzählt ein Jeder eine andere Geschichte. Die Geschichten, die die Menschen erzählen, haben alle drei Gemeinsamkeiten, sonst aber scheint es, als ob jeder eine andere Version der selben Geschichte erlebt hat, denn keine Geschichte gleicht der anderen, jede ist geprägt von einem ganz persönlichen Empfinden, von Emotionen, von Erinnerungen.

Die Dorfbewohner, befragt nach den seltsamen Geschehnissen in dem haus, berichten nur, es habe einst ein Mann in dem kleinen Haus gelebt, den nie ein Mensch ohne Hut gesehen habe, nur eine alte Frau, eben die, die den Mann in seiner letzten Stunde begleitet habe, wisse um einige Einzelheiten, und so machte ich mich auf, die alte Frau zu besuchen, um etwas mehr über den mann, sein Haus und seine Geschichte zu erfahren. Ich habe dieses Haus selbst besucht, und auch ich habe meine, meine eigene Version dessen erlebt, gesehen, was auch die fremden Besucher gesehen haben.

Ich traf die alte Frau an ihrem Küchentisch sitzend an, sie machte einen zufriedenen Eindruck, zwar nicht gerade glücklich, aber sie schien mit ihrem Leben zufrieden zu sein, fast so, als fühle sie eine innere Genugtuung, einen inneren Frieden. Es kostete mich fast einen halben Tag, die alte Dame zu überreden, mir etwas über den alte Mann, von dem man sich seltsame Dinge erzählt, zu berichten. Ich bemühe mich, die alte Dame in ihren eigenen Worten wiederzugeben, aber es fällt mir schwer, denn ständig habe ich das Gefühl, als sei mehr in meinen Erinnerungen als die Frau mir tatsächlich erzählt hat, fast so, als hätte ich die Geschichte selbst erlebt, so lebendig und nah ist mir das Geschehen.

Es war vor vielen Jahren, so berichtet sie mir, als ein fremder Mann mittleren Alters in das Dorf kam und das kleine Haus bezog, niemand wusste woher er kam und wer er eigentlich war, und niemand hat ihn jemals ohne seinen schwarzen Hut gesehen. Der Mann führte ein ganz normales Leben, ging arbeiten, kaufte ein, ging spazieren, aber er suchte nie Kontakt zu den anderen Dorfbewohnern, er war eher ein Einzelgänger, und so kam er bald in den Ruf, seltsam zu sein, und man begann über ihn zu reden, und man mied den Mann, der eigentlich gar nichts böses getan hatte. Ob er freundlich war, fragte ich die Frau, und ihre Antwort war einfach, sie sagte sie könne das nicht beurteilen, da sie sich nicht an alle Einzelheiten erinnere, nur an die letzten Stunden des Mannes, daran habe sie eine genaue Erinnerung. Aber dazu kommen wir später, wenn ich den Mittelteil der Geschichte erzählt habe, der für das Verständnis unerlässlich ist.

Da der Mann alleine lebte, ohne Frau und Kinder, müsse er einsam gewesen sein, sagte die alte Frau, und auch ich erinnere mich, in dem haus, als ich es besucht habe, ein unterschwelliges Gefühl der Einsamkeit, des "Verlorenseins" gefühlt zu haben.

Und so ergab es sich, dass der Mann eines Tages einen kleinen Hasen mit nach Hause brachte, den er irgendwo im Feld gefunden hatte, einen kleinen, mageren, ganz gewöhnlichen Feldhasen, wie es sie zu Tausenden in dem Land gab, in dem die Geschichte sich zutrug. Es muss wohl am letzten Tag eines Jahres gewesen sein, als der Mann den Hasen in seinem Haus aufnahm, ihn aufpäppelte und sich liebevoll um ihn kümmerte, oft sehr zum Missfallen der übrigen Dorfbewohner, die den Hasen lieber auf dem freien Feld erjagt hätten. Aber der Mann beschützte den Hasen, ließ nichts Übles in seine Nähe, sorgte ohne Unterlass führ ihn, auch wenn der Hase meistens bissig war und dem Mann arge Wunden beibrachte, die nicht nur am Körper zu sehen waren. Der Mann opferte alles was er hatte, um dem Hasen zu helfen und ihm das Gefühl zu geben, bei ihm zu Hause zu sein. Die Dorfbewohner verstanden nicht, was der Mann an dem Hasen fand, sie konnten nicht verstehen, warum der Mann so viel opferte, nur um dem Hasen zu helfen und ihm Geborgenheit zu schenken, ihm Freundschaft zu zeigen. Der Hase allerdings lief eines Tages weg, um nie mehr wieder zu kommen. Und der mann zerbrach an seinem Schicksal, an der Einsamkeit, die er nun viel, viel stärker fühlte als je zuvor. Diejenigen, die ihn gewarnt hatten, sich nicht auf den Hasen einzulassen, hatten Recht behalten, und das ärgerte den Mann furchtbar, aber dennoch lies er nie etwas auf den Hasen kommen.

Eines Tages ging die alte Frau zu dem Mann um ihm einen Brief zu bringen, denn sie verteilte die Post im Dorf, und sie traf den Mann auf dem Boden liegend an, direkt vor seinem großen Spiegel, er lag leblos da, mit flachem Atem, aber rasendem Herzen und mit Tränen in den Augen. Die Frau trug den Mann zu seinem Bett, es viel ihr nicht sonderlich schwer, denn der Mann hatte seit Wochen nichts mehr gegessen, sie legte ihn nieder und wollte seinen Hut abnehmen, um es ihm bequemer zu machen in seinen letzten Minuten, denn die waren gekommen, so fühlte die Frau damals. Im selben Moment, in dem sie den Hut abnahm, tat der Mann seinen letzten Atemzug, sein trauriges Gesicht entspannte sich und er schloss seine braunen, ausdrucksvollen Augen nun für immer. Die Frau jedoch erschrak über das, was sie nun sah, fast wäre sie in Ohnmacht gefallen, hätte sie nicht in das friedliche Gesicht des Mannes gesehen, das von dem, was unter dem Hut zum Vorschein kam, ablenkte.

Die Frau erzählte mir bis zu diesem Punkt, den Rest der Geschichte solle ich selbst erleben und empfinden, sagte sie mir, und sie wies mir den Weg zu dem kleinen Haus, in dem einst der Mann und eine Zeitlang auch der kleine Hase gelebt hatten. Niemand hatte etwas in dem Haus verändert, es war alles noch so wie am Todestag des Mannes, alles war unberührt. Nur der Spiegel, der war zerbrochen, keiner wusste wann dies geschehen war, aber man fühlte dass etwas Seltsames von dem Spiegel ausging, er zog auch mich magisch in seinen Bann. Ich sah mich selbst in beiden Hälften des Spiegels, und der Riss im Spiegel ging direkt über die Stelle, an der mein Herz liegt. Und ich trug einen Hut, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich keinen Hut trage, und ich fühlte etwas unter dem Hut, etwas Fremdes, das nicht zu mir gehörte, optisch nicht zu mir gehörte, aber vom Gefühl her, da war es genau das, das zu mir passte, zu meinen Gefühlen passte, zu meinen Empfindungen, und mit einem Mal wusste ich, was der Mann unter seinem Hut versteckt hatte, denn ich selbst trug es jetzt, in meinem Herzen, in meinen Gedanken, und ich trage es noch heute, als ich diese Geschichte schreibe. Und es schmerzt, ich fühle den Riss des Spiegels in meinem Herzen, ich fühle das Leid des Mannes, ich fühle die Einsamkeit und die innere Not, die er erlebte, als der Hase ging. Und ich trage nun stets meinen schwarzen Hut, und niemand wird mich ohne ihn sehen, nur der, der ihn in meiner letzten Stunde von meinem Kopf nimmt, der wird sehen, was darunter ist.

Die Geschichte, die ich teils erlebte, teils erzählt bekam, deckt sich mit einigen anderen, die mehrere Besucher des Hauses erzählen, aber keiner erzählt, was er in dem Spiegel gesehen hat, auch nicht die, die lachend aus dem Haus kommen. Aber diejenigen, die nachdenklich herauskommen, deren Leben hat sich verändert, und einige wenige sagen, sie hätten gesehen, was der Mann unter dem Hut verborgen hatte, und sie könnten den Mann nun verstehen. Nämlich genau das, was auch ich sah...und jetzt noch fühle.

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